Jobkiller oder Karrierechance – eine Betrachtung von Industrie 4.0
Für die einen ist sie der nächste logische Schritt unserer vernetzten Welt, für die anderen ist sie in erster Linie eine Größe mit vielen Unbekannten, insbesondere für Arbeitnehmer: die Industrie 4.0. Damit einher geht die smarte Fabrik der Zukunft. Arbeitnehmerverbände sprechen von drohender digitaler Arbeitslosigkeit oder digitaler Prekarisierung. Doch wird die Zukunft für Arbeitnehmer wirklich so düster oder eröffnen sich vielleicht auch neue Möglichkeiten und Berufsbilder?
Seit dem Beginn der industriellen Revolution in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat es immer wieder gravierende Veränderungen der Berufsbilder und Tätigkeiten von Arbeitnehmern in Fabriken gegeben. Sie gingen zumeist Hand in Hand mit neuen technologischen Verbesserungen und Prozessoptimierungen. Und immer waren solche Veränderungen zunächst auch begleitet von Zukunftsängsten oder auch von Ablehnung.
Die Industrie 4.0 bzw. die digitale Revolution macht hier keine Ausnahme. Seit Ende des 20. Jahrhunderts verändert sie den Alltag in Fabriken im Akkord und sorgt mit immer neuen Entwicklungen in immer kürzerer Abfolge für eine bis dahin ungekannte Schnelllebigkeit. Dass dies zu Verunsicherung seitens abhängig Beschäftigter führt, ist zwangsläufig.
Neue Technologien = Job-Killer?
Die Erfahrung zeigt: steigende Produktivität zieht seit jeher Veränderungen in den Berufsbildern nach sich. Die wenigsten von uns benötigen oder vermissen heute die Dienste eines Stellmachers, eines Harzers oder eines Köhlers. Neue Technologien sind jedoch nicht zwingend der Auslöser dafür. Dies zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Demnach sind lediglich etwa 0,4 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Berufen tätig, die in Kürze komplett von Computern und durch Automatisierung erledigt werden könnten. Bei etwa 60 Prozent der Arbeitnehmer könnte ein Anteil von 30 bis 70 Prozent der bisherigen Tätigkeit von Maschinen übernommen werden. Diese wiederum müssen jedoch überwacht und gesteuert werden, so dass sich zwar die Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert, der Arbeitsplatz aber nicht wegfällt. Im Rahmen der Studie hat sich außerdem herausgestellt: Je höher die Qualifikation und der Bildungsgrad der Arbeitnehmer, umso weniger Tätigkeiten können durch Automaten und Computer übernommen werden.
Industrie 4.0 als Karrierechance
Zugegeben, für Arbeitnehmer, die Jahre oder Jahrzehnte lang Arbeiten in der immer gleichen – analogen – Weise erledigt haben, ist eine Umstellung auf das digitale Zeitalter keine Kleinigkeit. Sie müssen vollkommen umdenken, viel Neues in kurzer Zeit erlernen und dennoch dem Arbeitsdruck und den Anforderungen ihres Arbeitsplatzes jederzeit gerecht werden.
Eine neue Generation von „Wissensarbeitern“ drängt in den Markt, welche die Digitalisierung quasi mit der Muttermilch aufgesogen haben. Sie bewegen sich problemlos in virtuellen Welten und möchten darauf in keinem Lebensbereich verzichten. Erst recht nicht im Arbeitsalltag. Dass dies nicht zwangsläufig zur Konkurrenz zwischen den Generationen führen muss, zeigt ein Beispiel aus einem KMU aus Bayern.
Projekt: softwaregestützte Produktionsplanung
Das Unternehmen aus Oettingen plante seine Produktionsaufträge mit 2 Disponenten und einer Excel-Tabelle. Steigende Auftragszahlen brachten diese Vorgehensweise 2010 an ihre Grenzen. Daher wurde nach einer Software-Lösung gesucht, welche die Planung erleichtert und für mehr Transparenz in den Abläufen sorgen sollte. Doch wie sollte dies bewerkstelligt werden? Keiner der angestammten Mitarbeiter konnte Erfahrungen in diesem Bereich aufweisen oder Zeit für eine Recherche erübrigen. Die Lösung fand sich in Person eines Studenten der Produktionswirtschaft. Er wurde mit diesem speziellen und für das Unternehmen essenziellen Projekt beauftragt. Heute ist dieser Ex-Student Leiter der Abteilung Produktionsplanung und arbeitet mit den etablierten, langjährigen Mitarbeitern eng im Team zusammen.
„Ohne die langjährige Erfahrung der Mitarbeiter zu den Abläufen, den Produkten und Abhängigkeiten wäre die Umstellung auf eine Software-gestützte Planung mittels einer APS-Software (Advanced planning and Scheduling) nicht möglich gewesen oder hätte unvergleichlich länger gedauert“, erläutert der Produktionsplaner und ergänzt: „Unser Erfolgsgeheimnis lag in der engen Zusammenarbeit und Abstimmung von vorhandenem und neuem Know-how.“ In dem KMU werden heute statt 20 Hauptmaschinen (Stand 2010) nun 180 Maschinen beplant. Dazu kommt eine effiziente Personaleinsatzplanung. Durch den Einsatz dieser Industrie 4.0-Technologie ist das Unternehmen heute in der Lage, wesentlich mehr Aufträge in deutlich kürzerer Zeit zu bearbeiten und verbessert ganz nebenbei auch seine Termintreue und Transparenz gegenüber den Kunden. „Die Qualität der Planung ist seit dem Einsatz der APS-Software deutlich gestiegen und auch die Ansprüche der Kollegen und Kunden haben enorm zugenommen“, erläutert der Planer und meint: „mit dem Essen kommt eben der Appetit“.
Quelle: Dualis-IT